Kurzdarstellung
Animation ist allgegenwärtig. Animation erzählt, zeigt, vermittelt und verblüfft. Ihre stilistische Bandbreite reicht von abstrakten Formexperimenten bis zu hyperrealen Simulationen, vom individuellen Kratzen in den Filmstreifen bis zum Zeichentrickfilm vom Fließband, vom haptischen Eindruck animierter Puppen bis zu ungreifbaren computergenerierten Oberflächen. Animation ist eine faszinierende ephemere Illusion, die all diese stilistische Vielfalt, funktionale Breite, künstlerischen Wert und grenzenlose Ausdruckskraft hervorbringt.
Ziel der 2010 als Teil der Gesellschaft für Medienwissenschaft e.V. gegründeten AG Animation ist es, die deutschsprachige Forschung zum Thema Animation zu bündeln, zu fördern und stärker zu vernetzen. Die AG versteht sich in diesem Sinne als koordinierende Anlaufstelle für alle Interessierten, um den Gedanken- und Informationsaustausch zu vereinfachen.
Kontakt: ed.noitamina-ganull@tcatnoc
Stills: “Looking for Love” (2010, Adele Raczkövi) | Gestaltung: Julian Palacz
Ausführliche Darstellung
Es gibt kaum einen Bereich unseres medialisierten Lebens, der nicht von animierten Bildern bestimmt ist. Die marginale akademische Auseinandersetzung mit Animation steht in keinem Verhältnis zur kulturellen Relevanz animierter Bilder. Diesem Missverhältnis will die AG Animation entgegenwirken.
Die Bandbreite animierter Bilder ist enorm. Animierte Langfilme feiern seit einigen Jahren kommerzielle und künstlerische Höhenflüge, auch als komplett animierte Dokumentarfilme. Japanische Anime beeinflussen nicht nur die westliche Animationsszene, sondern auch die Ästhetik des Realspielfilms. Nicht nur in Spielfilmen, sondern auch in dokumentarischen Filmen verschwimmen darüber hinaus zunehmend die Grenzen zwischen Realaufnahmen und (computergenerierten) Trickaufnahmen. Animierte Musikvideos, Werbungen und Fernsehserien, die sich dezidiert an ein erwachsenes Publikum richten, haben dazu beigetragen, dass avantgardistische oder zumindest metareferentielle Ästhetiken und Erzählformen in den Mainstream eingedrungen sind. Durch Retrospektiven und Trickfilmfestivals ebenso wie durch das kontinuierlich wachsende Angebot an Videos, DVDs, Blu-rays und alternativen Vertriebsformen des Internets sind seit einigen Jahren auch die Werke weniger bekannter AnimationskünstlerInnen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Experimentelle Animation als bewegte Form der bildenden Kunst, im Avantgarde-Film und im Expanded Cinema wurde während des 20. Jahrhundert immer wieder eingesetzt und erlebt heute eine Hochblüte.
Abseits von Kino und Fernsehen finden sich Animationen in den unterschiedlichsten Kontexten: Computerspiele wären ohne Animation reine Textabenteuer. Aus Wissenschafts-, Lehr-, Industrie- und Imagefilmen lassen sich animierte Visualisierungen kaum wegdenken. Bei Konzerten und DJ-Sets sind Animationen visuelle Begleiter der Musik. Animation verwandelt statische Ornamente in Motion Graphics. Als architektonisches Element machen Animationen urbane Plätze (etwa den Times Square), Fassaden und Innenräume veränderbar. Animationen erzeugen hybride Wahrnehmungen in Augmented-Reality-Umgebungen. Die vermehrte Forschung zur Vorgeschichte des Films zeigt überdies, wie sehr protofilmische Bewegtbilder und optische Spielzeuge von Animationen geprägt waren.
Dieses breite Spektrum erfordert eine ebenso breite wissenschaftliche Auseinandersetzung und bietet interdisziplinäre Schnittpunkte zu vielen akademischen Disziplinen und Theorien. Eine wichtige Funktion von Animation, die wir an dieser Stelle beispielhaft herausstreichen möchten, ist die Fähigkeit, komplexe konzeptuelle Zusammenhänge zu veranschaulichen und auf den Punkt zu bringen. Animation kann überspitzen, vereinfachen und abstrahieren. Der Blick wird aufs Wesentliche gelenkt, das Wesentliche wird salient und verständlich. Dieser Aspekt findet sich in den ausdrucksstarken Karikaturen des narrativen Zeichentrickfilms und diverser Computerspiele ebenso wie in den schematischen Animationen von Geschäftspräsentationen, Dokumentationen, Wissenschafts- und Lehrfilmen, in der bildgebenden Diagnostik sowie in Verkehrsleitsystemen und anderen Orientierungshilfen. Diese starke Ausdrucksfähigkeit von Animation ist nicht nur für die klassische Filmwissenschaft und Medientheorie ein wichtiges Forschungsthema, sondern ebenso für Kunstgeschichte, Game Studies, visuelle Semiotik, Neurowissenschaft, Psychologie, Pädagogik, Informatik und viele weitere Disziplinen.
Die AG hat sich gegründet, um diese und ähnliche grundlegende Fragestellungen zu (unter anderem) ästhetischen, formalen, funktionalen, narrativen, kognitiven, psychologischen, politischen, kulturspezifischen, sozialen, pragmatischen, historischen, ökonomischen, ethischen und pädagogischen Aspekten von Animation aus vielfältigen Perspektiven zu beleuchten. Ziel der AG ist es, die deutschsprachige Forschung zum Thema Animation zu bündeln, zu fördern und stärker zu vernetzen. Die AG versteht sich als koordinierende Anlaufstelle für alle Interessierten, um den Gedanken- und Informationsaustausch zu vereinfachen. Ein weiteres Anliegen der AG Animation ist es, Animation als wichtiges Forschungsthema bei unterschiedlichen Konferenzen und Publikationen zu vertreten sowie eigene Konferenzen zum Animationsfilm auszurichten.