Der Call for Papers zur Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft 2015 läuft noch bis 15.02.2015. Das Thema lautet: Utopien. Wege aus der Gegenwart. Weitere Informationen gibt es unter www.gfm2015.de
Call for Papers: Utopien. Wege aus der Gegenwart.
Gesellschaft für Medienwissenschaft
GfM 2015 – Jahrestagung an der Universität Bayreuth
30.09.-03.10.2015
Einde der Einreichungsfrist: 15. Februar 2015
In einer Zeit, in der Kapitalismus und Kontrollgesellschaft zunehmend global und damit alternativlos erscheinen und die im Zeichen katastrophischer Zukunftserwartungen eher von Dystopien geprägt ist, fragen wir mit der Jahrestagung 2015 der Gesellschaft für Medienwissenschaft an der Universität Bayreuth nach der Utopie, ihrem Handlungspotential und ihrer gesellschaftlichen Bedeutung sowie der Rolle, die Medien in diesem Zusammengang spielen und spielen können.
Die Fragestellung der Tagung greift in unterschiedliche, wenn auch eng aufeinander bezogene Problemfelder aus:
Zeit und Kritik
Utopien richten sich in die Zukunft, sie bilden einen konjunktivischen Zustand, der von den gegenwärtig herrschenden Verhältnissen durch einen radikalen historischen Bruch getrennt ist. Dennoch sind Utopien nicht unabhängig vom Aktuellen, sondern im kritischen Vergleich auf die Gegenwart bezogen. Jenseits des Raum-Zeit-Kontinuums angesiedelt, erlauben Utopien aktuelle Macht- und Gesellschaftssysteme gleichsam von außen in den Blick zu nehmen und sie auf diese Weise zu erschüttern. Indem sie neue Lebens- und Gesellschaftsperspektiven eröffnen, entfalten sie ein gesellschaftspolitisches Potential, das über (Ideologie)Kritik, Diskursanalyse oder Dekonstruktion hinausgeht. Sie bilden eine Folie, vor der eine radikale Veränderbarkeit des Aktuellen überhaupt erst denkbar wird. Vor diesem Hintergrund wäre zu fragen: Wie sind in Utopien Gegenwart und Zukunft aufeinander bezogen? Welche Wege führen vom Hier und Jetzt zum Zeit und Raum enthobenen, u-topischen Zustand? Müssen Utopien notwendig in einer unerreichbaren Zukunft liegen, oder kann angesichts dystopisch sich eintrübender Zukunftsszenarien nicht die Vergangenheit sich in eine ebenso unerreichbare, retrograde Utopie verwandeln? Wie lässt sich die orientierende Funktion von Utopien beschreiben? Wie verhält sich Kritik zur Utopie? Und welche Wege von Kritik, Analyse, Dekonstruktion führen zum Entwurf von Utopien? Oder ist die Utopie selbst eine notwendige Voraussetzung für Kritik? Zu fragen ist aber auch: Wo kann das utopische Denken in der Gegenwart noch ansetzen, wenn selbst die Kunst traditionell ein Hort von Widerständigkeit und Utopie zunehmend von instrumentellen Selbstoptimierungsstrategien in Beschlag genommen wird? Wo, in- wie außerhalb der Kunst, finden sich derzeit Spuren utopischen Denkens?
Räume und Topografien
Wie in der Zeit sind Utopien auch räumlich entrückt, so dass parallel zur zeitlichen nach ihrer räumlichen Verortung, ihren Topografien zu fragen ist: Welche Räume und welche Modelle des Räumlichen werden von Utopien entworfen? Wo und wie werden Utopien verortet? Braucht die Utopie abgeschlossene, unzugängliche Orte, wie Inseln oder Parallelwelten? Handelt es sich bei solchen Orten um einen Ausstieg aus dem Hier und Jetzt, das dabei selbst aber unangetastet bleibt? Wie sind utopische Orte auf ihre Umwelt bezogen? Inwiefern sind die in den Alltag eingebettete Heterotopie und die ortlose Utopie miteinander verbunden?
Mensch und Gesellschaft
Utopien stellen die Frage nach dem Menschen und den Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Die Frage nach Raum und Zeit der Utopie ist daher immer eine Frage nach Modellen eines wünschenswerten (Sozial-)Lebens. Welche Konzepte von Sozialität und welche Vorstellungen vom Verhältnis menschlicher, natürlicher, dinglicher, technischer Aktanten postulieren Utopien? Ist utopisches Denken an eine bestimmte Konzeption des Menschen gebunden? Und noch weiter: Ist die Utopie notwendig auf den Menschen bezogen, also anthropozentrisch, ist also eine Utopie ohne Menschen noch eine Utopie? Wie beziehen sich Utopien humanistische, neoliberale, sozialistische, anarchistische, postkoloniale, queere, transhumanistische, subalterne, intersektionale, universalistische, kosmopolitische, antispeziezistische auf die Frage von Mensch und Gesellschaft? Wie verhalten sich utopische Entwürfe, die Gesellschaft als Ganze betreffen, zu partikularen oder Mikroutopien eines gelingenden Lebens?
Medien und Technologien
Utopien sind immer medial, insofern sie ohne Sprache, Bilder, Ton nicht vorstellbar sind. Doch ist jede utopische Vorstellung auf diese Weise immer schon aktuell wahrnehmbar. Welche Wirklichkeitseffekte also erzeugt die Utopie? Wie lässt sich ihre spezifische mediale Performativität fassen und wie verhält sich diese zum Konjunktivischen des Utopischen? Von Interesse sind hier etwa die ästhetischen Strategien und medialen Formate in der Konzeption von Utopien. Gleichzeitig ist damit aber auch die Produktivität utopischen Denkens angesprochen. Vor allem neue Medien wecken zudem regelmäßig nicht nur utopische Hoffnungen auf eine weitreichende Veränderung einer Gegenwart, die in ihrem Licht als defizitär erfahren wird. Medienentwicklungen werden auch im Sinne von Technoutopien angetrieben von Vorstellungen, was Medien dereinst werden leisten können. In all diesen Fällen wirkt der utopische Vorauswurf auf die Gegenwart zurück und stößt ein auf die imaginierte Zukunft gerichtetes Handeln an.
Begriffe und Grenzen des Utopischen
Neben Zeit, Raum, Mensch und Gesellschaft, Medien und Technologien stellt sich die Frage nach den Grenzen des Utopischen und den ihm benachbarten Konzepten. Die Funktionsweisen und das Potenzial der Utopie lässt sich gerade von ihren Grenzen her genauer fassen: Während die Dystopie traditionell den Gegenpol zu bilden scheint, wäre zu fragen nach ihrem weniger eindeutigen Verhältnis zu Konzepten der Simulation, Prognostik, des Eskapismus, der Virtualität, von Fantasy, Science Fiction oder dem Posthumanismus.
Bis zum 15.2.2015 laden wir zur Einreichung von Panels, Workshops und Einzelvorträgen zum Thema der Tagung ein und freuen uns zudem auf neue Veranstaltungsformate, die jeweils einen zeitlichen Umfang von 2 Stunden nicht überschreiten sollten.